Roman Egger

Aus SALZBURGWIKI
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Roman Egger (* 1974) wohnt in Bergheim und ist promovierter Kommunikationswissenschafter und seit 13 Jahren Professor am Studiengang Innovation und Management im Tourismus an der Fachhochschule Salzburg; an diesem Studiengang fungiert er auch als Fachbereichsleiter Research und Fachbereichsleiter für eTourism.

Egger zu Overtourism

Er fordert, dass die Politik die ersten Anzeichen von Unmut der Wohnbevölkerung über den Fremdenverkehr sehr ernst nehmen sollte. Gut wäre, den Fremdenverkehr besser zu steuern und die Bevölkerung in entsprechende Entscheidungen auch besser einzubeziehen. In letzter Konsequenz seien aber auch Eintrittsgebühren bei bisherigen Gratis-Sehenswürdigkeiten, die überfüllt seien, legitim.

Sollten notfalls Eintritt bei überfüllten Gratis-Indoor-Sehenswürdigkeiten verlangen

Ein Interview von Stefan Veigl von den Salzburger Nachrichten mit Roman Egger:

SN: Wird die Stadt Salzburg bereits von zu viel Touristen besucht - oder ist die Schwelle zum Overtourism ohnehin noch nicht überschritten?

Roman Egger: Es gibt natürlich keine absolute Obergrenze an Nächtigungen oder Tagesgästen. Das einzige, was man festmachen könnte, wäre, das Gefühl der Bewohner zu untersuchen, wann die Schwelle überschritten ist. Aus meiner Sicht könnten wir sehr viel von Amsterdam, Dubrovnik, Barcelona und Venedig lernen. Denn die leiden alle unter Overtourism - und haben das latente Unwohlsein der Bevölkerung bereits übersehen. Schon 2017 ist das Thema weltweit aufgepoppt. Seit dem Zeitraum gibt es auch entsprechende Berichte aus diesen Städten. Denn für die Menschen wird sichtbar, wohin Overtourism führen kann. Da kommen natürlich Ängste auf. Daher gibt es auch die Bilder von Schmieraktionen aus Amsterdam wo es etwa heißt: "Tourists, go home!". Denn am Ende muss da ein Dreieck in Einklang gebracht werden: Die Lebensqualität der Bewohner; die ökonomischen Möglichkeiten der Tourismuswirtschaft und zum dritten die Erlebnisqualität der Besucher.

SN: Welche Folgen hat Overtourism konkret?

Ich glaube, die Auswirkungen von Overtourism finden sich auf drei unterschiedlichen Ebenen. Zum einen auf der Ebene der Bewohner - da gibt es eine psychische Tragfähigkeitsgrenze. Dann gibt es direkte negative Effekte wie die Überlastung der Infrastruktur; Lärm, Stau und andere Irritationen. Und es gibt auch indirekte Effekte - vor allem in Form eines Strukturwandels in der Dienstleistung, also dass die Altstadt, auch in Salzburg, fast nur mehr touristisch genutzt ist - und dass auch die Wohnungspreise steigen.

SN: Auf den Punkt gebracht: Ist Salzburg aus Ihrer Sicht schon von Touristen überrannt - oder geht's noch?

Da würde ich mich noch nicht fix festlegen. Aber ich kann sagen: Wir sind auf dem Weg dahin. Daher sollte die Bevölkerung künftig besser in Entscheidungsprozesse, was den Tourismus betrifft, einbezogen werden. Denn wenn man so ein Problem lange im Untergrund schwelen lässt, poppt es umso heftiger auf. Daher sollte man hier schon vorher den Puls der Bevölkerung erfühlen, was sie zum Tourismus denkt.

SN: Nun wird Salzburg vom renommierten Reiseführer "Lonely Planets Best in Travel 2020" zum weltweiten Top-Touristenziel im nächsten Jahr erklärt. Welchen Effekt wird das haben - oder sollte man so ein Ranking nicht überbewerten?

Prinzipiell würde ich so ein Ranking nicht überbewerten. Da haben die Bilder auf Instagram derzeit einen viel größeren Effekt - und auch die anderen Social-Media-Kanäle. Was die Auszeichnung in quantitativen Gästeankunftszahlen heißt, lässt sich ohnehin nicht im Voraus seriös quantifizieren.

SN: Was macht Salzburg für internationale Gäste so interessant?

Salzburg ist, wie es der "Lonely Planet" jetzt beschreibt, eine wunderschöne Stadt, ist klein und übersichtlich und hat Mozart und das UNESCO-Welterbe. Salzburg ist infrastrukturell sehr gut erreichbar. Und es ist tatsächlich pittoresk - das bietet die Möglichkeit, schöne Bilder in den Social-Media-Kanälen zu posten. Damit erfüllen wir auch viele Klischees.

SN: Andererseits gibt es mit "Sound of Music" ein Thema, das als Touristenmagnet fungiert, in Salzburg aber mangels eines Museums noch gar nicht richtig entwickelt ist. Sollte man angesichts der Overtourism-Debatte daher die Museumspläne begraben?

Egal, welche neuen Attraktionen kommen: Sie könnten auch eine Chance sein - aber nur dann, wenn sie nicht im Zentrum sind, das ohnehin schon voll ist. Auch ein Sound-of-Music-Museum wäre eine Chance zur Tourismus-Entzerrung, wenn es etwa an der Peripherie liegt. Natürlich werden manche argumentieren, dass wegen so eines Museums noch mehr Leute kommen. Aber es wäre generell wichtig, hier eine räumliche Entzerrung zu schaffen.

SN: Inwieweit kann und soll die Stadt künftig den Touristenstrom steuern - welche Hebel sehen Sie da - Stichwort: Reisebus-Gebühr oder Beschränkung der Gruppengrößen bei geführten Touren?

Da gibt es mehrere Punkte: Die Gruppengrößen sollte man auf jeden Fall auf die bereits diskutierten 25 Personen pro Fremdenführer deckeln. Dann sollte es eine Entzerrung der Ameisenrouten geben - und es sollten neue Themenrouten abseits von Getreidegasse & Co. entwickelt werden. Dann könnte man sich einiges zum Thema Besucherlenkung von großen Freizeitparks und Flughäfen abschauen. Und diskutiert wird ja auch, Eintritt zu verlangen - wie es auch beim Dom angekündigt wurde. Das kann künftig notwendig sein - bei allen kostenlosen Indoor-Sehenswürdigkeiten, die überfüllt sind. Was man vielleicht andenken sollte, ist auch die Frage, ob man eine App entwickelt, die bei der Besucherlenkung hilft - in Form von Timeslots - wie sie etwa Amsterdam hat. Und mit so einer App könnte man auch anzeigen, wie lange die Warteschlangen in Echtzeit sind.

SN: Als Ultima Ratio wurden in manchen Städten wie Venedig bereits publikumswirksam Drehkreuze getestet. Wäre das auch für Salzburg eine Möglichkeit?

Das schließe ich aus. Das wäre definitiv abschreckend.

SN: Kürzlich wurde auch ein Fall bekannt, wo eine Touristenführerin von einem grantigen Einheimischen physisch attackiert wurde. Ist das ein Einzelfall - oder ist die Stimmung in der Bevölkerung tatsächlich bereits gekippt?

Unter den Fremdenführerinnen in Salzburg gibt es diese Diskussion schon länger. Erste Anzeichen von Unmut der Wohnbevölkerung sind aber wichtige Signale. Daher sollte man solche Vorfälle durchaus ernst nehmen, auch wenn sie derzeit nur Einzelfälle sind.

SN: Andererseits lebt gerade die Stadt Salzburg sehr gut vom Tourismus. Muss man da mit der Overtourism- und Beschränkungs-Debatte nicht aufpassen, nicht auch sein positives Image bei den Gästen zu verspielen? Wo ist da die Grenze?

Das ist schwer zu sagen. Das kommt wieder auf das genannte Dreieck an - von Bedürfnissen der Bewohner, der Wirtschaft und der Gäste. Die heimische Tourismus-Wirtschaft ist sicher ein Rückgrat der Wirtschaft in Salzburg und damit ein Garant für die hohe Lebensqualität hier. Gleichzeitig darf man die hohe Lebensqualität der Bewohner dadurch nicht gefährden. Und auch zum Thema Kultur und Welterbe: Welterbe heißt, dass das Güter von unersetzlichem Wert sind, die der ganzen Menschheit zur Verfügung stehen. Gleichzeitig muss der Zugang dazu auch für die Einheimischen noch gewahrt bleiben. Das ist ein absoluter Balanceakt. Wenn man sich Ouvertourism ansieht, wird oft als Maßzahl die Zahl der Besucher pro Einwohner der Stadt verwendet. Es sollten hier aber auch andere sozio-kulturelle Aspekte betrachtet werden. Daran wird gerade in der Tourismuswissenschaft weltweit geforscht.

SN: Gibt es bereits Messungen, inwieweit Salzburgs Gästen auch bewusst ist, dass sie hier nicht mehr so willkommen sind wie noch vor zehn, zwanzig Jahren?

Studien kenne ich dazu keine - und auch keine konkreten Zahlen. Aber: Wenn man etwa bei Trip Advisor schaut, kommt man drauf, dass die Touristen bei den Bewertungen zur Salzburger Altstadt selbst schreiben, dass Salzburg "overcrowed", also bereits von Touristen überfüllt, sei.

SN: Was wünschen Sie sich für Salzburg für das Jahr 2020?

Ich wünsche mir, dass wir den Balanceakt auf allen drei Ebenen - Lebensqualität der Bewohner, ökonomische Bedürfnisse der Wirtschaft und Erlebnisqualität für die Gäste - hinbekommen.

Quelle